Interview mit Cemil Şahinöz: „Es werden Korane verbrannt. Dies ist kein Motiv eines Einbrechers.“ (IslamiQ)

Von | 20. August 2014

 

Interview mit Cemil Şahinöz

„Es werden Korane verbrannt. Dies ist kein Motiv eines Einbrechers.“

 

Cemil Şahinöz ist Vorsitzender des Bündnis Islamischer Gemeinden in Bielefeld (BIG). Wir sprachen mit ihm über die jüngsten aufeinanderfolgenden Brandanschläge auf zwei Moscheen in der Stadt. Außerdem wollten wir von ihm wissen, wie die muslimische Gemeinschaft mit der Situation umgeht.

20. August 2014, Ressort: Debatte,Top-Artikel

 

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Cemil Şahinöz (Zweiter von links) zeigt am Ort des Geschehens das Ausmaß des Schadens an Besucher © Süleyman Karapinar (BIG), bearbeitet IslamiQ

In Bielefeld wurden binnen sieben Tagen zwei Moscheen Opfer von Brandanschlägen. Die muslimische Gemeinschaft ist angesichts der Taten schockiert und verunsichert. Wir sprachen mit Cemil Şahinöz, dem Vorsitzenden des Bündnis Islamischer Gemeinden in Bielefeld (BIG) über die Anschläge, die Ermittlungen und wie die muslimische Gemeinschaft auf die Gefahr reagiert.

IslamiQ: Herr Şahinöz, können Sie kurz für unsere Leser schildern, was über den konkreten Tathergang der beiden Moscheebrände bekannt ist?

Cemil Şahinöz: Beide Taten sind offensichtlich von den gleichen Tätern begangen worden. Es wurde in die Moscheen eingebrochen und Korane wurden mitten im Gebetsraum verbrannt. Die Täter wollten also wahrscheinlich nicht die ganze Moschee brennen lassen, sondern eine Message geben. Dies ist für uns ganz klar eine Provokation. Jemand versucht, die Muslime zu provozieren. Aber wir werden uns nicht provozieren lassen.

 

IslamiQ: Wie haben Sie als Vertreter der islamischen Gemeinden in Bielefeld die Zusammenarbeit mit den ermittelnden Polizisten empfunden?

Cemil Şahinöz: Die Zusammenarbeit mit den Ermittlern läuft bisher positiv. Einzig die schnelle Spekulation der Polizei beim ersten Brand, dass es ein „frustrierter“ Einbrecher war, der keinerlei islamfeindliche und politische Motive verfolgte, kränkte uns.

Es ist doch eher wahrscheinlicher, dass der Brandstifter beim Rausgehen noch die Kasse mitnimmt, als andersrum, wie die Polizei spekulierte, dass ein Einbrecher plötzlich aus Frust auf die Idee kommt, die Moschee in Brand zu setzen. Zumal jetzt ja ganz klar ist, dass es keine gewöhnlichen Einbrecher sind. Denn in dem Gebetsraum der zweiten Moschee, wo der Brand stattfand, war ebenfalls eine Kasse, die nicht berührt wurde. Es sind ganz klar andere Motive dahinter. Ziel ist es, Angst zu schüren.

 

IslamiQ: Besteht der Verdacht auf einen islamfeindlichen Hintergrund der Tat?

Cemil Şahinöz: Der Verdacht besteht ganz klar. Es werden Korane verbrannt. Dies ist kein Motiv eines Einbrechers. Inzwischen gehen die Ermittler diesem Verdacht stärker nach und so hoffen wir, dass alle Fragezeichen behoben werden.

 

IslamiQ: Welche Gefühle haben diese Brände bei den Muslimen vor Ort ausgelöst? Was erwarten die Muslime von Politik und Gesellschaft?

Cemil Şahinöz: Die Muslime sind schockiert und besorgt. 2 Brandanschläge innerhalb von 7 Tagen in der gleichen Stadt muss man ernst nehmen. Doch die Muslime lassen sich nicht emotionalisieren oder provozieren. Wir werden ruhig, sachlich und verantwortungsvoll handeln. Das ist uns wichtig. Die große Mehrheit der Gesellschaft verurteilt diese Taten. Wir als Muslime hoffen, dass diese Mehrheit nun zu Worte kommt. Es darf nicht geschwiegen werden. Schweigen führt nur zu weiteren Taten. Es muss nun Seite an Seite mit den Muslimen gestanden und Solidarität gezeigt werden.

 

IslamiQ: Welche Hilfestellungen wurden von staatlicher und kommunaler Seite den betroffenen Moscheegemeinden angeboten?

Cemil Şahinöz: Der Staatssekretär für Integration des Landes NRW, Herr Thorsten Klute, hat sich von Anfang an detailliert über die Brandattentate informiert. Beim zweiten Brand war er am selben Tag vor Ort in Bielefeld. Er hat der Gemeinde und der muslimischen Community versichert, jegliche Hilfestellungen anzubieten. Das ist ein Zeichen, das ist wichtig.

 

IslamiQ: Wie schätzen Sie die künftige Debatte über Islamfeindlichkeit in Bielefeld ein? Wurde die Mehrheitsgesellschaft durch die Geschehnisse aufgerüttelt?

Cemil Şahinöz: Wir möchten, dass dieser Diskurs geführt wird. Dass man Anteilnahme zeigt. Es darf nicht sein, dass Gotteshäuser brennen. Es muss alles dafür getan werden, dass Radikale keinen Nährboden in der Gesellschaft finden. Als in einer bekannten Zeitung der Islam und die Muslime allgemein unter Generalverdacht gestellt wurden, habe ich noch am selben Tag geschrieben, dass solche Kommentare die Tür für brennende Moscheen öffnen.

Nachher will es dann aber niemand gewesen sein. Auch jetzt, nur 12 Stunden vor dem zweiten Brand in Bielefeld, habe ich in einer Presseerklärung gesagt, dass dieses Schweigen nach dem ersten Brand, verheerende Folgen haben kann und zu weiteren Bränden führen kann. Ich möchte dies daher noch einmal unterstreichen: Die Mehrheit der Gesellschaft in Deutschland ist nicht islamfeindlich, sie verurteilt diese Taten. Sie darf aber auch nicht weiter Schweigen. Es muss jetzt die Stimme erhoben werden.

 

Hintergrund

Das Bündnis Islamischer Gemeinden in Bielefeld (BIG) ist der Dachverband der Moscheevereine und muslimischen Einrichtungen in Bielefeld und vertritt nach eigenen Angaben die ca. 50.000 Muslime der Stadt.


 

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