Planten rechte Terroristen Anschlag in Bielefeld? Moscheevereine entsetzt

Von | 20. Mai 2021

Im Prozess um die rechtsextreme „Gruppe S.“ wird deutlich, dass ihre Mitglieder eine Bielefelder Moschee als Ziel erwogen haben. Die Verantwortlichen der hiesigen Vereine reagieren entsetzt.

Bielefeld/Minden/Stuttgart. Die Nachricht aus Stuttgart hat die Verantwortlichen der Bielefelder Moscheen kalt erwischt: Die rechte „Terrorgruppe S.“, deren zwölf Mitglieder am 14. Februar von SEK-Einheiten in ganz Deutschland festgenommen wurden, wollte sich womöglich eine Bielefelder Moschee als Ziel für ihren ersten Anschlag aussuchen. Das jedenfalls gab Paul U. (49), Kronzeuge des Falles, in seiner Vernehmung zu Protokoll.

Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wurden am Dienstag Teile der neunstündigen Vernehmung vorgespielt, die bereits fünf Tage vor der Verhaftung der rechten Terrorzelle stattgefunden hatte. Paul U. aus dem hessischen Odenwald hatte sich vorher gestellt und ist nun zentraler Belastungszeuge der Staatsanwaltschaft, aber auch Angeklagter.

Am Morgen nach dem zentralen, konspirativen Treffen der Gruppe am 8. Februar in Minden, bei dem Anführer Werner S. die Mitglieder über die Pläne der Gruppe einweihte, ließ sich U. beim LKA erschöpfend über die Inhalte dieser Besprechungen aus. Demnach sollte die Gruppe Anschläge auf Moscheen ausüben. Der Terror der „Gruppe S.“ sollte der Auftakt einer Reihe von Gewaltakten sein, der zu Gegenwehr bis hin zum Bürgerkrieg führen sollte.

Wie der WDR berichtete, hatten sich die Gruppenmitglieder zunächst über eine Kölner Großmoschee als Anschlagsziel ausgetauscht. Weil die aber durch die große Polizeipräsenz in Köln als ungeeignet verworfen worden sei, sollen sich die Angeklagten auf Moscheen in mittelgroßen Städten verständigt haben: „Als erstes Beispiel sei Bielefeld ins Spiel gebracht worden“, heißt es beim WDR.

Entsetzen in Bielefelder Moscheevereinen

Ob Bielefeld hier nur als nächstgelegenes, geeignetes Ziel – vom Treffpunkt der Gruppe in Minden aus – Erwähnung fand, oder ob es konkrete Planungen für eine Tat gab, blieb im Prozess bisher offen. Die weitere Vorführung der neun Stunden langen Vernehmungen von Paul U. werden diese Frage möglicherweise noch klären. Dabei ist nach Angaben der Stuttgarter Zeitung schon jetzt absehbar, dass die Verteidiger der übrigen elf Angeklagten die Glaubwürdigkeit U.s in Frage stellen werden. Er hatte insgesamt 21 Jahre in Haft verbracht, 13 Jahre bekam er für zwei Geiselnahmen – anschließend verbrachte er noch acht Jahre im Maßregelvollzug, weil er psychisch krank und gefährlich gewesen sein soll. Als die Maßregel durch ein zweites Gutachten aufgehoben wurde, sah sich U. als Justizopfer. Später radikalisierte er sich in verschiedenen rechten Gruppen.

In Bielefelder Moscheevereinen herrschte nach Bekanntwerden der Anschlagsplanungen gestern Entsetzen. Mehrere Moschee-Verantwortliche tauschten sich daraufhin aus. Sie vermuteten, dass wahrscheinlich die Brackweder Vatan-Moschee mit ihrem Minarett-Turm als Ziel in Frage gekommen wäre. „Es wäre Wahnsinn, wenn diese kranken Menschen das umgesetzt hätten“, sagte ein Vorstandsmitglied des Bielefelder „Bündnisses der islamischen Gemeinden“ (BIG).

„Wir lassen uns nicht in die Opferrolle drängen“

Dennoch zeigte er sich auch erleichtert: „Gut, dass die Behörden die Gruppe rechtzeitig zerschlagen haben. Wir vertrauen auf den Rechtsstaat und die Polizei. Die Neonazis wollen Angst schüren. Wir lassen uns aber nicht in eine Opferrolle drängen.“ Es habe schließlich bereits Bombendrohungen, Hassbriefe und Brandanschläge in Bielefeld gegen Moscheen der Stadt gegeben.

Trotzdem herrschte Verunsicherung, da keiner der Moscheeverantwortlichen damals – im Februar – von der Polizei über die Pläne der Terrorgruppe informiert worden ist. „Während der NSU-Ermittlungen ist die Polizei an die Adressaten einer Opferliste herangetreten. Da hat man immerhin Betroffene informiert“, weiß der BIG-Sprecher. Ob das diesmal nicht passierte, weil die Verdächtigen sowieso kurz vor der Verhaftung standen oder weil die Planungen nicht konkret genug waren, ist noch unklar.

Die Polizei sieht keine konkrete Bedrohungslage

Das Bündnis islamischer Gemeinden legte seinen Mitgliedsvereinen nahe, ihre Sicherheitstechnik und Kameras an den Moscheen nochmals zu überprüfen. Die Polizei teilte auf Nachfrage der Moscheevereine mit, dass es aktuell keine konkrete Bedrohungslage gebe. Man werde aber die Streifenfahrten an den Moscheen erhöhen.

NW, 19.05.2021

https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/23014702_Planten-rechte-Terroristen-einen-Anschlag-in-Bielefeld.html