Die Rede unseres Vorsitzenden Cihad Kefeli anlässlich des Fastenbrechens
Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Ehrengäste, liebe Anwesende, ich begrüße Sie vom ganzen Herzen.
Esselamualeykum, Merhaba, Grüß Gott, Rojbash und ein aufrichtiges Shalom!
Es ist mir eine große Ehre, Sie heute Abend hier begrüßen und vor Ihnen sprechen zu dürfen.
Wir sind hier versammelt, um den Iftar, das Fastenbrechen, gemeinsam zu begehen – ein Akt der Gemeinschaft und des Glaubens, der uns alle vereint.
Ich möchte Ihnen vom ganzen Herzen unsere tiefe Dankbarkeit ausdrücken, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind.
Der Ramadan ist eine Zeit der Besinnung, des Gebets und der Nächstenliebe. In diesen heiligen Tagen streben wir danach, unsere Herzen zu reinigen und unsere Seelen zu füllen. Wir fasten nicht nur, um unseren Körper zu disziplinieren, sondern auch, um Empathie für diejenigen zu entwickeln, die weniger haben als wir.
Unser Fasten lehrt uns Geduld, Demut und Dankbarkeit. Es erinnert uns daran, dass das Leben mehr ist als die Summe unserer persönlichen Bedürfnisse und Wünsche. Es geht darum, für andere da zu sein, zu teilen und zu helfen.
Wir sind nicht nur zusammengekommen, um unsere Traditionen zu teilen, sondern auch um die Brücken der Freundschaft und des Verständnisses zu stärken.
Wir leben in einer Zeit, in der die Dunkelheit des Unverständnisses und der Intoleranz unsere Gesellschaft zu überschatten droht. Doch heute Abend leuchtet in Bielefeld ein Licht der Hoffnung, denn wir sind zusammengekommen, um ein Zeichen für Frieden, Brüderlichkeit und des respektvollen Zusammenlebens zu setzen.
Wie wir Muslime den Ramadan ehren, so begehen unsere christlichen Mitbürgerinnen und Mitbürger die heilige Osterzeit. Diese Zeiten der Besinnung und des Glaubens erinnern uns daran, dass wir alle Kinder derselben Menschheit sind, unabhängig von unseren individuellen Glaubenswegen und Überzeugungen.
Wir erinnern uns an die außergewöhnliche Reise Jesu Christi, die in der Osterzeit gefeiert wird. Jesus, ein Prophet von hoher Bedeutung im Islam, ist ein Symbol der Liebe, der Barmherzigkeit und des Mitgefühls. Seine Lehren von Nächstenliebe, Vergebung und Hoffnung sind universell und überschreiten religiöse Grenzen.
Seine Botschaft der Liebe und des Friedens berührt die Herzen von Millionen Menschen auf der ganzen Welt, genau deshalb feiern wir die kostbaren Gemeinsamkeiten, die uns vereinen.
Mögen wir gemeinsam danach streben, die Botschaften von Jesus Christus und des Propheten Muhammad (Friede sei mit ihnen) zu leben und in die Welt zu tragen.
Inmitten dieser Feierlichkeiten möchten wir auch das Newroz-Fest ehren. Newroz symbolisiert den Beginn des Frühlings, der Hoffnung und der Erneuerung. Es ist eine Zeit, in der Menschen zusammenkommen, um die Natur zu feiern und das Licht über die Dunkelheit siegen zu lassen. Das Newroz-Fest erinnert uns an diedie Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Mögen die Farben und Klänge dieses festlichen Anlasses unsere Herzen mit Freude und Einheit erfüllen, während wir gemeinsam den Ramadan, Ostern und das Newroz-Fest feiern.
Der Prophet Mohammed sagt in einer KernÜberlieferung des Islam folgendes auf Arabisch „Hayrunnas men yenfeun nas”
Übersetzt in unsere Sprache heißt dies “Der Beste unter euch ist derjenige, der den Menschen am nützlichsten ist.”
Diese Worte erinnern uns daran, dass wahre Größe nicht durch Reichtum, Macht oder Prestige definiert wird, sondern durch unsere Fähigkeit, anderen zu dienen und nützlich zu sein.
In einer Welt, die oft von Individualismus und Egoismus geprägt ist, ist es von entscheidender Bedeutung, sich daran zu erinnern, dass unser Wert als Mensch darin liegt, wie sehr wir anderen nützlich sind. Nur durch aktive Teilnahme an der Gesellschaft und Partizipation in unserer Kommune, durch Empathie und Mitgefühl können wir als Gesellschaft richtig funktionieren.
Aber es ist auf der anderen Seite unerträglich, dass so viele Menschen, die auch in diesem Saal den Wunsch haben, sich zu engagieren, teilzuhaben und die Gesellschaft mitzugestalten, aber seit Jahrzehnten vor Barrieren und Barrikaden gestellt werden. Diese Barrieren können viele Formen annehmen, sei es durch sozioökonomische Ungleichheit, Diskriminierung, bürokratische Hürden oder fehlende Ressourcen und Unterstützung.
Es ist ein tragisches Ergebnis, wenn Menschen, die so viel zu bieten haben, sich in einer Position der Resignation befinden, weil sie nicht die Möglichkeit haben, ihren wertvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Jeder von uns hat einzigartige Talente, Ideen und Perspektiven, die zur Vielfalt und zum Fortschritt unserer Stadt beitragen könnte.
Wir beobachten mit großer Sorge, dass es leider immer noch spürbare Vorurteile insbesondere gegenüber Muslimen gibt und dass diese Vorurteile immer wieder ihren Platz in den Medien und im öffentlichen Diskurs finden. Vorurteile führen in vielen Fällen zu Diskriminierungen.
Menschen, die Diskriminierung im Alltag erleben, werden Schwierigkeiten haben, sich zugehörig zu fühlen und sich als gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft zu sehen. Das wiederum führt zu weiterem Vertrauensverlust und erzeugt neue schwerwiegende Probleme.
Es ist unerlässlich, dass sich Menschen frei und ohne Angst zu ihrer Religion bekennen können und dass ihre Identität respektiert und geschätzt wird. Außerdem sollten diese Menschen auch in der Politik repräsentiert werden, ihre Stimmen und Perspektiven sind entscheidend für eine gerechte und inklusive politische Landschaft. Nur dadurch kann die Vielfalt unserer Gesellschaft angemessen widergespiegelt werden.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Verantwortung für die Förderung von Inklusion und Teilhabe nicht nur bei den anderen liegt, sondern bei der gesamten Gesellschaft. Es erfordert gemeinsame Anstrengungen, Vorurteile abzubauen, Stereotypen zu überwinden und eine Kultur der Akzeptanz und des Respekts zu schaffen.
Im Koran, Sure 2, Vers 256, heißt es: “Es gibt keinen Zwang im Glauben.” Dieser Vers betont die Bedeutung von Freiheit und Toleranz im Islam und erinnert uns daran, dass der Glaube eine persönliche Entscheidung ist. Wo Grausamkeit und Gewalt verübt werden, kann kein Anspruch erhoben werden, im Namen des Islam zu handeln!
Als bündnis-islamischer Gemeinden in Bielefeld stehen wir fest zu diesem Grundsatz und deklarieren unser Selbstverständnis als eine Gemeinschaft, die sich für Vielfalt, Toleranz und Respekt einsetzt. Das alles dem Boden unsere freiheitliche demokratische Verfassung, die wir hoch schätzen.
Wir glauben fest daran, dass wir in unserer Heimat Bielefeld eine Verantwortung haben, die Stimme der Vernunft und des Mitgefühls zu sein. Wir stellen uns entschieden gegen jede Form von Extremismus, Hass und Faschismus.
So haben wir kürzlich erfolgreich verhindert, dass ein Prediger, der der salafistischen Szene zuzuordnen ist, in unserer Stadt eine Plattform erhält. Unser entschlossenes Handeln zeigt unsere unerschütterliche Haltung gegen Fundamentalismus.
Wir verstehen uns als Bollwerk gegen jede Art von Menschenfeindlichkeit. Antisemitismus verurteilen wir als schwere Sünde!
In dieser Zeit der Herausforderungen ist es wichtiger denn je, dass wir zusammenstehen und uns für die Werte der Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen.
Wir alle tragen eine große Verantwortung, nämlich die der Erinnerung und Ermahnung. Denn Barmherzigkeit ist leider nicht selbstverständlich. Sie muss gelebt und -wenn man so will- organisiert werden. In diesem Sinne sind die Proteste Hunderttausender Menschen gegen Rechtsextremismus in den letzten Wochen Akte der Barmherzigkeit.
Gleichzeitig sind die internationalen Wochen gegen Rassismus, die auch in Bielefeld unter dem Motto „Rassismus geht uns alle an!“ ein Akt der Ermahnung und Reflektion.
Verehrte Anwesende,
dieser heutige Abend ist ein Höhepunkt und ein sehr großer Schritt, es ist das Gegengift von Phobien und Anfeindungen.
Als Repräsentant der 15 Moscheen, den vielen weiteren muslimischen Einrichtungen und schätzungsweise hier lebenden 40.000 bis 50.000 tausend Muslim:innen möchte ich Ihnen noch einmal unseren Dank aussprechen.
Möge dieser heutige Abend dazu beitragen, neue Türen zu öffnen, unser Verständnis zu vertiefen, unsere Freundschaft zu festigen und unser Verantwortungsgefühl zu stärken